Zuflucht gesucht!


27 kurdische Flüchtlinge, die aufgrund der restriktiven Asylpolitik illegalisiert wurden, suchen Kirchengemeinde, die versteht, daß Einzelfallprüfung für sie keine Lösung mehr darstellt und ihnen Zuflucht gewährt. Im Rahmen der Kampagne "Kein Mensch ist illegal" soll eine Anerkennung als Bürgerkriegsflüchtlinge erreicht werden. Angebote oder Nachfragen bitte an 0202/311790 faxen.


Wie Sie vielleicht wissen, suchen seit dem 22.11.1998 27 kurdische Flüchtlinge Zuflucht in den Gemeinderäumen der Gemarker Kirche. Sie haben sich zu diesem Schritt entschlossen, da ihre rechtlichen Möglichkeiten, eine Abschiebung zu verhindern, ausgeschöpft waren. Die Flüchtlinge hatten sich bemüht, in einer Kirche des sog. „Wanderkirchenasyls" in Köln Schutz vor einer drohenden Abschiebung zu bekommen. Das Wanderkirchenasyl, an dem sich über 40 Gemeinden beteiligen, bietet seit einem Jahr Flüchtlingen Schutz vor der Abschiebung. Diese 240 Flüchtlinge stehen auf einer Liste, über die bis Mitte Dezember die Landeskirche Rheinland mit dem nordrheinwestfälischen Innenministerium verhandelt hat, um eine Duldung der am Kirchenasyl Beteiligten zu erreichen. Diese Verhandlungen sind aufgrund der Unnachgiebigkeit des Innenministeriums vorerst gescheitert. Da momentan keine weiteren Flüchtlinge auf die zu verhandelnde Liste kommen können, es aber weiterhin viele kurdische Flüchtlinge gibt, die aufgrund drohender Abschiebung in der Illegalität leben, blieb den heute in der Gemarker Kirche Zufluchtsuchenden nichts anderes übrig, als sich unabhängig vom Wanderkirchenasyl um den Schutz einer Kirche zu bemühen. Nachdem sie sich als Gruppe zusammengeschlossen und diesen Entschluß gefaßt haben, nahmen sie Kontakt zu einzelnen WuppertalerInnen auf. Ziel der Flüchtlinge war es von Anfang an, für die gesamte Gruppe ein Bleiberecht zu erreichen. Eine Einzelfallprüfung war für sie zu keinem Zeitpunkt eine Lösung gewesen, da die generelle Verfolgung der KurdInnen in Kurdistan von der deutschen Asylrechtsprechung nicht als solche anerkannt wird und überdies das Angebot der Einzelfallprüfung ohnehin nur für Flüchtlinge aus NRW gelten würde – ein Großteil der KurdInnen in der Gemarke aber kommt aus anderen Bundesländern. Ein Rechtsanwalt, der ihre Fälle begutachtet hat, sieht selbst bei einer zusätzlichen Einzelfallprüfung für die meisten keine Chance auf Duldung. Gerade weil die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, sehen sich die kurdischen Flüchtlinge gezwungen, in der Kirche Zuflucht zu suchen, und auch gerade deshalb ist es wichtig, für eine umfassende politische Lösung (Abschiebestop in die Türkei als Bürgerkriegsland) einzutreten. Zitat der evangelischen Landeskirche: "Solange in den Notstandsprovinzen der Türkei weiterhin Tausende von Dörfern zerstört werden, die türkische Armee den freien Waren- und Arzneimittelverkehr einschränkt, Oppositionelle ohne Gerichtsverfahren verfolgt, gefoltert und ermordet, die Kultur der Minderheiten zerstört, sind Flüchtlinge aus den kurdischen Gebieten offenkundig gefährdet und schutzbedürftig. Angesichts ihres Schicksals dürfen die Flüchtlinge nicht als Illegale kriminalisiert werden." Dadurch, daß das Presbyterium der Gemarker Kirche eine Zustimmung der Flüchtlinge zu einer Einzelfallprüfung zur Bedingung für die Aufnahme in ein Kirchenasyl gemacht hat, wird sie genau der oben beschriebenen Situation der KurdInnen nicht gerecht.
Die Flüchtlinge suchen nun eine Kirchengemeinde, die versteht, daß Einzelfallprüfung für sie keine Lösung mehr darstellt und ihnen Zuflucht gewährt. Im Rahmen der Kampagne "Kein Mensch ist illegal" soll eine Anerkennung als Bürgerkriegsflüchtlinge erreicht werden. Angebote oder Nachfragen bitte an:

Unterstützungsplenum für Kirchenzuflucht,
c/o Infoladen, Brunnenstr. 41, 42105 Wuppertal, Fon/Fax: 0202/311790






Zum Verfahren der Einzelfallprüfung:

Aussicht auf einen erfolgreichen Asylantrag hat nur, wer seine politischen Aktivitäten und die daraus resultierende persönliche Verfolgung lückenlos und minutiös dokumentieren kann. Familienangehörige aber, die häufig nicht minder brutal der Repression durch die türkischen Behörden ausgesetzt sind, fallen durch dieses Raster durch. Seit der Asylrechtsänderung von 1993 muß sich jede(r) direkt nach Ankunft in Deutschland einem Polizeiverhör stellen. Hier ist es sehr schwierig für die Flüchtlinge, im Detail über ihre Mißhandlungen wie z.B. Vergewaltigung, Verbrennungen oder Verstümmelung von Gliedmaßen einer fremden Behörde zu berichten. Oftmals hat auch keine psychische Verarbeitung der Geschehnisse stattgefunden. Die Beamten entscheiden in unangemessen kurzer Zeit über das Bleiberecht der so unter Druck stehenden Flüchtlinge. Die zum Teil traumatischen Erlebnisse können oft nur nach längerer Zeit verarbeitet werden. Hierfür ist eine sichere Umgebung und Betreuung zwingend notwendig. In der kurzen Zeit der Duldung von Antragstellung bis zum Entscheiden über den Asylantrag ist dies nicht möglich. Am Ende dieses Prozesses steht maximal noch die Einzelfallprüfung: Dies bedeutet, daß der einzelne Antrag noch einmal juristisch überprüft und einer Kommission zur Entscheidung vorgelegt wird. Da hierbei aber auf das gleiche Datenmaterial wie beim Asylverfahren zurückgegriffen wird, besteht kaum eine Chance, eine Duldung zu erhalten. Da kurdische Flüchtlinge nicht juristisch als Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt sind, muß eine politische Lösung gefunden werden. D.h. ein genereller Abschiebestop in die Türkei als Bürgerkriegsland. Die Kirche bietet bisher nur im Rahmen des traditionellen Kirchenasyls (für Einzelpersonen oder einzelne Familien) die Möglichkeit einer erneuten Einzelfallprüfung an. Den Flüchtlingen bietet sich somit folgendes Szenario: Einige, vermutlich sehr wenige werden Glück haben und möglicherweise eine Duldung in Deutschland erwirken können. Den anderen steht nach einer äußerst belastenden und zum wiederholten Male durchgeführten rechtlichen Prüfung eine evtl. "begleitete Rückführung" in die Türkei bevor. Diese bietet erwiesenermaßen nur unzulänglichen Schutz.




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Stand: 23.12.1998